Sonntag, 9. September 2012


Kapitel 3 –

Zamonien and the House of Horrors


Prolog

Kennst Du das? 

Dir gehts echt scheisse! 
Du sitzt, guckst in die Landschaft und alles ist Mist.
Dann fährt da dieser Rollifahrer durchs Bild. 
Von links nach rechts. 
Und auf einmal...
...ist alles halb so wild.

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Eigentlich habe ich gerade erstaunlich viel Zeit. Vielleicht kommt das daher, dass ich, obwohl ich von außen betrachtet gerade Hauptattraktion des Geschehens, gefühlt doch nur Betrachter bin.

Meine Wahrnehmung ist durch die vorhergegangene zweisekündige Trudelphase extrem geschärft. Da das Rad, auf dem ich gerade noch saß, beschlossen hat, seinem Vorderrad mehr zu folgen als mir und sich dieses wiederum vom örtlichen Randstein überreden ließ, doch nach links anstatt geradeaus zu fahren, befinde ich mich nun in der Flugphase.

Wie gesagt, ich habe gerade erstaunlich viel Zeit. 

So viel, dass mein Bewusstsein sogar in der Flugphase noch in Worten mit mir spricht. Es sagt:  „Hm, aha. da steht eine Laterne mit Schildern aussenrum.“ Total rational. Wie immer wenns um die Wurst geht, so gut kennen wir uns mittlerweile.

BÄM!

Der Gitarrist der Hardrock-Band (den Namen hab ich mir nicht gemerkt) steht immer noch wie eine Eins in seinem eingefrorenen Solo, nachdem ich Kopf voraus in bester Hulk-Hogan-Manier gegen ihn schepper.

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Alles begann ganz harmlos.

Es war ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch und wir beschlossen mit den Rennrädern zum Baggersee zu fahren, eine Runde schwimmen und wieder zurück. Insgesamt etwa zwei Stunden sporteln.
Der Hinweg über Obstwiesen mit Birnen klauen, Enten und Omas erschrecken, dann eine Runde schwimmen. 
Für den Rückweg gebe ich Maike mein Rad und nehme ihrs. Wir beschließen, Tempo zu machen, damit sich die Dusche auch lohnt. Ich treibe an, Maike zieht mit.

Wir zischen durch den Stadtverkehr. Fahren wir durch den x-ten Kreisverkehr – und plötzlich fahre ich auf Schnee.

Kennst Du das Gefühl, wenn Du mit dem Fahrrad auf Schnee fährst und das Vorderrad gerade für sich beschlossen hat, heute lieber mit Dir Schlitten zu fahren als zu rollen? Dieses Linksrechtslinksrechtslinksrechtsoooaaaaah, und der Versuch jetzt keine Gesichtsbremse hinzulegen?

So geht’s mir von jetzt auf gleich.
Ich gucke nach unten und sehe nur einen schwarzweissen Schemen, der sich noch nicht abschließend entschieden hat, ob er nach links oder rechts ausbrechen will und beide Seiten im Wechel antestet. Dass ich gerade in Klickpedalen stecke und in Schräglage eine Rechtskurve fahre, ist der Sache nicht dienlich…
Der bis dato unsichtbare Randstein korrigiert den Kurs des Rades nachhaltig nach links, während ich mich in die Flugphase mit innerem Dialog und effektvollem Einschlag begebe.

Angesichts des durch ihr Bild fliegenden Freundes legt sich Maike vor Schreck ebenfalls ab. Zwei Autofahrer halten sofort an und bieten Hilfe an. 
Ich stehe mittlerweile wieder und bin etwas benommen, aber insgesamt glaub halb so wild.

Bis ich den rechten Handschuh ausziehe.

Der rechte Daumen setzt jetzt direkt am Handgelenk an. Da wo er definitiv nicht hingehört.

Mein innerer Sanitäter souffliert „Abnorme Stellung, Daumen am Grundgelenk ausgekugelt. Achtung, tut Sch%&#!-weh.

Aber noch wirken die Endorphine. 

Kein Schmerz, nur Benommenheit.  
Ich stehe unter Schock, das ist mir klar, aber einschätzen kann ichs nicht.
Also schaue ich, solange die Eigenbetäubung funktioniert, dass wir die Situation möglichst geregelt kriegen. 
Maike organisiert per Telefon den Transport ins Krankenhaus und wo wir die Räder anschließen. Dann hilft mir die hilfsbereite Dame mit einer Mullbinde Maikes Bein zu verbinden.

Nach der Betäubung kommt der Kreislauf. 

Ich kippe im Stehen schier aus den Latschen. Zum hinsetzen reichts gerade noch. 
Wasser. 
Nach einer halben (?)  Minute ist der Kreislauf wieder stabil und wir gehen direkt über in Phase drei – „Schmerzen“.

Während Maike mit Passanten spricht gucke ich mir immer wieder den Daumen an. Der Sani in mir meint zu wissen, dass ausgekugelte Gelenke möglichst schnell wieder eingerenkt werden sollten.

Also nicht bis zur Notaufnahme warten, dass dauert alles zu lange. Angst vor den Schmerzen, Angst vor der Angst.

Ich drücke vorsichtig auf den Knochen. 

Sch%&#!

Ua, aaalso gut. 
Ich schließe die Augen, Zähne zusammen und probiere mit etwas mehr Schwung.

Plopp.

Aaaah. Die Schmerzen werden tatsächlich weniger, mein Bewusstsein schreit statt „Aaaaaaaaaaah!“ jetzt "nur noch" „Verdammta Axt, wo ist hier das nächste Krankenhaus?“.

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Szenenwechsel.

Ich sitze mit einem Eisbeutel seit einer halben Stunde in der Notaufnahme. Endlich kommt der Arzt. Grinsend steht meine Karlsruher Kletterbekanntschaft und Maikes Freund F. in OP-Klamotten vor mir.

Was für ein geiler Zufall, wie sich in den nächsten 36 Stunden zeigen wird! Vielleicht hat Maike deshalb dieses Krankhaus ausgesucht?
Jedenfalls geht jetzt alles ratzfatz.

Die ersten Röntgenbilder zeigen keine große Fraktur, nur ein Schatten lässt den Oberarzt nochmal weitere Bilder und am Tag darauf nach Rücküberweisung vom Chirurg auch noch ein vollständiges CT verlangen. 
In der Notaufnahme kennt mich mittlerweile die halbe Belegschaft als Freund vom Doc. Das und eine Prise Selbstironie plus Humor hilft auch bei den raubeinigsten Schwestern.

Da F. am nächsten Nachmittag schon wieder (immer noch?) Dienst hat, stürzen sich direkt nach der Bestrahlung vier (!) Radiologen in ihrem Kabuff auf das 3D-Modell meiner Hand. Erstaunlich, wie filigran das Handskelett selbst trotz der Kletterei bleibt, siehe rechts... 



Befund: Keine frischen Frakturen, dafür multiple Absprengungen diverser Knochen von älteren Geschichten, die alle harmlos seien. Mein Körpergefühl sagt mir außerdem, dass ich keinen Bänderriss habe, nur eine Bänderdehnung. Aber die Kapsel hat glaub was abgekriegt.

Und nach nur 36 Stunden Aufnahme, Röntgen, CT, Entlassbrief und die Sicherheit dass ich keinen Bruch gefangen habe. Ich werde erstmal nichtmehr übers deutsche Gesundheitssystem jammern. Andererseits hab ich an der Uni auf 24.000 EUR einbezahlt... Anyway.


Zum Glück ist das nach den Kletterurlauben passiert…

Zum Glück vor Indien, in Karlsruhe und nicht in Kathmandu…

Nur mit dem Surfurlaub, das wird jetzt so ne Sache…

Wir werden sehen, so stay tuned!

2 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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    1. Hi Björn,

      in Anlehnung des Begriffes "gutes" und "schlechtes" Cholesterin bzgl. der Blutwerte möchte ich Dir die Definition zwischen "gutem" Adrenalin und "schlechtem" Adrenalin etwas näher bringen. Ich bin heilfroh, dass Du "schlechtes" Adrenalin auf dem Bike erfahren hast und nicht beim "extrem klettern". Dein Onkel hat hier KEIN Mitleid. Denn diese Erfahrung sollte einen lehren, dass nicht alles rational steuerbar bzw. physikalisch-mathematisch bestimmbar ist. Nicht auf/im Berg, nicht auf dem Bike und im Leben sowieso nicht.

      Sicherlich hast Du schon viele grenzwertige Erfahrungen im Berg gemacht u. uns (Family) sowieso nicht mitgeteilt, aber die simple, schmerzhafte und gut gelöste (Einrenkung) "Bike-Erfahrung" hat sicherlich/hoffentlich nachdenkenswerte Elemente ausgelöst!

      LAST not LEAST will/kann ich nicht verneinen, dass in unserer Family eine gewisse (vererbte?) minimale Neigung zu "völlig ungefährlichen Tätigkeiten..." besteht.
      Harmlos umschrieben z.B. die "Welterkundung mit Motorrad" u. sonstige "Unternehmungen" deines Vaters mit dem Motorrad. GROSSARTIG - CHAPEAU! Hier "blogged" nun mütterlicherseits dein "freaky Onkel" - der auch mit "Ende 50" dem weibl. Geschlecht adrenalinmäßig aufgeschlossen ist, der Fallschirmjäger der BW in den 70ern war und seitdem alle 10 Jahre vom Himmel fallen "musste" bzw. "muss". Mit 60 (nächstes Jahr) also spätestens wieder. WHY: Erstens - um den Kopf frei zu bekommmen(gesehen aus 1000 m Höhen laufen unendlich viele Ameisen unten rum .Ob eine von diesen "Roland Berger-Commerzbank-Henkel-etc.-Ameisen" ausfällt, ist SHIT-EGAL. Das "Gekrabbel" der "gleichgeschalteten ..." geht unverändert weiter.
      Aber: VOR (vorbereiten, packen etc.) - ZWISCHEN (arschsitzend in Springerreihe direkt auf dem Blechboden des Kleinflugzeuges mit AC/DC oder STONES-Music) und NACHGESCHALTET (Vorrücken zur Tür, empfohlene Position einnehmen oder auch nicht und ABSPRUNG),ist Adrenalin jeweils nach .... da. Vor der Landung sollte es nochmals dasein!

      So seltsam es für manche(n) klingen mag (der/die nie dabei war), auf "Rolling Stones Konzerten" wird jede Menge positive Energie (umwandelbar in positives Adrenalin) übertragen.

      Der Onkel geht nun zu Bett - Fortuna 95 hat gewonnen, die Rolling Stones treten auch nach 50 years auf...und Björn will pls. let us know the next steps.

      Was wollte ich nun sagen...F95...Stones .. Family Adrenalin...Ach ja, grenzwertige Erlebnisse -wie vom Bike fliegen (negatives A.)oder bei 240 km in 400m Höhe aus der Transall aussteigen (positives A.)- die nur sekundenbruchteile dauern kommen einem immer unheimlich lange vor...Lass es ruhig angehn und suche nicht das Arenalin...

      Grüsse aus D.

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