Wow. Er hat echt zugesagt. Grad kam die SMS, dass er den
Flug für Montag nach Bilbao gebucht hat.
Mein Dad kommt mich besuchen.
An seinem 70-ten Geburtstag.
Er wird kommende Woche 70. Ein runder Geburtstag, der in der
Regel – vor allem in oberschwäbischen Kleinstädten – mit größeren
Feierlichkeiten verbunden ist.
Aber wir Ernsts sind schon immer ein reiselustiges Völkchen.
Unter anderem deshalb hatte mein Dad schon lange vor, an seinem 70er in Tibet
Trekking zu machen anstatt die Stadthalle zu mieten.
Dann kamen diesen Sommer diverse Krankenhaus- und Rehaaufenthalte
dazwischen.
Der Plan B sah dann so aus, am Lago Maggiore bei meinem
Onkel zu feiern. Nachdem das aber spontan auch nix wird, bin ich grad ganz
schön in der Bredouille.
Mein Bruder in Mexiko, ich hundert km vor La Coruna und mein
Dad an seinem 70er allein zu Hause. Na toll.
Also rufe ich ihn an und schlage ihm vor, dass er einfach hierher
runterfliegt und wir zusammen eine Woche durch Frankreich zurückfahren. 7 Tage
für 70 Jahre.
Dass ich ihn in Bilbao am Flughafen mit zwei Stunden
Verspätung abhole liegt nicht daran, dass ich unpünktlich geworden wäre. Seine
letzte SMS war „Keilriemen treibt Motorlüfter + Lichtmaschine, deshalb leuchtet
sofort Ladekontrollampe, wenn Keilriemen reisst. Also auf Lämpchen achten. Gute
Fahrt!“ Warum schickt meine Werkstatt eigentlich nicht solche SMS? Oder gibt’s
von VW ne App?
Der spanische Pannenhelfer, den ich über meine goldene
ADAC-Karte – eigentlich müsste die mittlerweile schwarz mit nem großen roten
Blitz drauf sein (das ist so etwa mein elfter Notfall) – organisiert hab, kann
kein Englisch.
Mein Problem ab ich in einem spanischen Sätzchen noch
aufgeschrieben, danach wird’s dünn. Dafür bringt er mir auf dem Standstreifen
der Autobahn Santander-Bilbao bei, wie man werkzeuglos vierhändig im vierten
Gang nen Keilriemen aufzieht. Traktorskillz, Baby! I love that car. Die
Weinflasche kann ich ihm leider nicht geben, so schnell ist er schon wieder
weg.
Was nach Standstreifenreparatur und erneutem Stopp – die
Warnweste lass ich jetzt grad mal an – in gerademal zwei Stunden Verzögerung
mündet. Am Stadtstrand von Bilbao stößt dann noch Jörg zu uns, der direkt von
Frankreich runtergekommen ist.
Jörg hat hier schonmal eineinhalb Jahre gelebt und kennt
sich entsprechend aus – entsprechend besuchen wir am nächsten Tag Mundaka, ein
schönes Fischerdorf, welches unter anderem die „beste Welle Europas“
beherbergt.
Und wir? Stehen an der Brüstung und sind unentschlossen.
Es ist kalt. Es ist düster. Es regnet. Es sind fünf Leute im
Wasser.
Nur fünf Leute.
Wenn wirs jetzt nicht machen, dann nie.
Also los.
Wir ziehen uns auf dem Parkplatz die Neos an und huschen mit
den Boards im Regen durch das Dorf wie zwei Jugendliche, die beim Nachbarn
heimlich im Garten Äpfel klauen wollen. Direkt hinter der Kirche die Felsentreppe
runter und rein in die Wellen.
Die Szenerie ist schon krass. Dunkles Wasser, dunkler Himmel, Regen, Wind und die Wellen spielen Rodeo mit Dir. In der ersten Stunde kassiere ich drei fette
Waschgänge, als mich die Wellen unter sich begraben. Aber dann klappt es zunehmend
besser und die Laune steigt. Nur das Rauskommen mit der aufs Meer ziehenden
Strömung verlangt mir nochmal alles ab. Ich schaffe es auch im zweiten Anlauf
nicht an die Treppe und steige dann fünfzig Meter weiter unten über Felsen aus.
Uiuiui, das ist hier schon eine andere Liga als am Sandstrand. Exit-Strategie. Merken.
Wieder einiges gelernt heute.
An seinem 70-ten wünscht sich mein Dad morgens Guernica, das
wir vor allem durch Picasso und Hitler bzw. dessen Legion Condor kennen. Eigentlich ists aber die Hauptstadt
der Basken.
Wer jetzt zuerst da war weiss ich nicht. Peter Jackson,
Bilbo oder Liv Tyler? Die Eiche von Guernica sieht jedenfalls aus wie aus dem
Herrn der Ringe. Ein wirklich magischer Ort. Ich bin allein. Abgefahren.
Vielleicht macht die Eiche ja tatsächlich unsterblich.
Indizien dafür finde ich nachmittags. Bilbo scheint nicht tot zu sein, sondern
hat neben einer Bank auch ein Busunternehmen gegründet; Bilbocash und Bilbobus.
Wenn wir schon mal da sind gehen wir natürlich in Guggenheim
und ziehen danach durch die Stadt. Die Bilder spar ich Euch, das kennt eh jeder bzw. findest im Internet.
Da in Spanien heute Generalstreik ist, haben
alle Kneipen zu, dafür treffen wir die Ranzengarde-Ortsgruppe Nordspanien bei
Ihrer neuesten Performance.
Wir sind derweil froh dass wir wenigstens noch einen Cafe con leche
bekommen.
An Essen gehen ist nicht zu denken und so verwöhne ich meinen Dad
abends am Strand mit Koshari (siehe Auszugsparty), einem exzellenten
„Tabernus“-Rotwein (sorry, KFK! ;) Als Nachtisch gibt’s Mousse au Chocolat mit
Creme Brulee – Ein Knaller! (Danke Ines!).
Am kommenden Tag fahren wir nach einem Frühstück mit
Meerblick rüber nach San Sebastian und abends nach Cap Breton zum
Sonnenuntergang und Fisch essen. Vom Sonnenuntergang am Meer gucken kann man
glaub nie genug kriegen…
Mein Dad wünscht sich die Heimfahrt nach Deutschland durchs
Zentralmassiv Frankreichs. Und so gondeln wir quer über französische
Landstrassen, auf der Rückbank heute Alan Jackson (links) und Donavon
Frankenreither (rechts), die Lena Meyer-Landrut (schreibt man die so?) in die
Mitte genommen haben und uns von verlorener und noch nicht geliebter Liebe
erzählen. Mittags regnets – hallo Tracy Chapman. Du willst nach Millau? Ich
nehm Dich mit. Abendessen heute mit Aussicht an einer alten Kirche allein auf dem Hügel.
„Ich würde gern hier über Roziers, Vigne und St. Eminie nach
Mende.“ – Ja mei, machmer alles. Ich werfe einen Blick auf die Karte um mein
Navi mit der richtigen Route zu füttern. Da steht in großen schwarzen Lettern.
Gorges. Du. Tarn.
WHAT! Mein Dad will mit mir durch Frankreichts wohl
bekanntestes Klettergebiet fahren. Zum Gucken. Ich werde wohl der erste
Kletterer überhaupt sein, der in die Gorges du Tarn fährt – und nicht klettern
geht.
Wir übernachten in der Tarn quasi auf der Strasse. Die
Campingplätze sind alle zu. Herrje ist das malerisch. Der Fels durchs Fernglas
(schluchz!) ein Traum. Löcherkalk, yummy. I’ll be back some day.
Die Antriebswelle hat sich über Nacht in den Kleiderschrank
geschlichen. Von der Hinterachse ist Ruhe, dafür scheppert ein Klapperorchester
aus dem Kleiderschrank. Ein Mysterium dieses Auto.
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Mittlerweile ist es halb eins morgens und die Strassen sind
leer. Die letzten hundert Kilometer von der Schweizer Grenze nach Biberach
läuft Portugal the man in Dauerschleife – we will make it through the night.
Danke Peps, good to know you. Mein Dad ist auf dem Beifahrersitz in sich
zusammengesunken, durch das Beifahrerfenster sehe ich den Bodensee mit seinen
Lichtern bei Nacht. Auf der Strasse speigeln sich sic h die Neonletreklamen.
Der Bulli rennt wie eh und je, die Antriebswelle klackert dass man denkt man
fährt ne Dampfmaschine. Die Reise geht zu Ende.
Ich kann nicht sofort ins Haus.
Noch nicht.
Ich habe jetzt
zwei ganze Monate in diesem Auto gelebt, gekocht, gezittert, geschwitzt,
gewartet, gelacht und …. äh angeschoben.
Ich stehe auf dem Parkplatz, mache das letzte spanische Bier auf und
stoße mit ihm an. Treuer Gefährte. Hat sein Versprechen gehalten und mich bis
nach Hause gebracht. Dann will ich meinen Teil des Versprechens auch gerne
einlösen.
Morgen geht’s in die Werkstatt zur großen Wellnesspackung.
Gute Nacht, hasta manana, Hidalgo.
Nachtrag
Der Bulli ist in der Werkstatt, der Meister hat ob meines
Auftragszettels Dollarzeichen in den Augen. Seis drum.
Habe gerade mal Google Maps bemüht und meine Euro-Tournee
2012 nachgezeichnet. Dolomiten, Schweizer und Französische Alpen, Südfrankreich
und Nordspanien.
8000 km. Schee wars.
War noch was? Oh! Ich glaub für Indien braucht man n Visum….
;)
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