Endlich.
Sonne. Frühstück. Warm.
Ich sitze in der Sonne auf der Dachterasse des
Keventer’s und habe gerade ein Sandwich und eine Kanne Tee bestellt. Ausnahmsweise.
Ich bin in Darjeeling.
Es ist neun
Uhr morgens und ich bin mal wieder schon fünf Stunden auf den Beinen. Also
eigentlich eher Zeit fürs Mittagessen.
Darjeeling legt ja angeblich Wert darauf, mehr
zu sein als nur „der beste Tee der Welt“. Ursprünglich eine alte britische
„Hill Station“, wohin die Briten während der Kolonialzeit im Sommer geflohen
sind, wenn es in der Ganges-Tiefebene zu heiß ist. Regen und Nebel findste
überall, mussthalt nur weit genug fahren. Die spinnen die Briten.
Nun, Darjeeling hat tatsächlich mehr zu bieten
als nur Teeplantagen, so dass es sich hier gut drei Tage aushalten lässt.
Wie gesagt, ich bin heute (mal wieder) um halb
vier aufgestanden. Wenn ich schonmal da bin.
Denn:
In der Nähe von Darjeeling liegt der Tiger
Hill. Hier einen Sonnenaufgang zu sehen ist eine der Hauptattraktionen.Man
steht auf dem höchsten Hügel im Umkreis über den umliegenden Bergen, unten
liegen Nebel und Wolken in den Tälern und man sieht bis zum „Kantsch“ (Kanchenjunga),
nach Everest und K2 der dritthöchste Berg im Himalaya, wenn die Sonne anfängt,
ihn erst rot, dann orange und schließlich weiß strahlen zu lassen. Naturshow.
Dass man bei so einer Angelegenheit – zumal in
Indien – nicht alleine ist, liegt auf der Hand. Ich bin fast schon zu spät
dran, erkämpfe mir am Funkturm der Aussichtsplattform noch einen Platz auf der
Treppe in der ersten Reihe. Voila! Dass so ein Spektakel mit ner Mini-Digicam
nicht auch nur annähernd wiederzugeben ist, weiß jeder, der das schonmal selbst
versucht hat. Also eher so eine Art Gedächtnisstütze.
Und weil Amateur-Sonnenaufgangsbilder
eh jeder kennt, das Licht am Morgen so genial ist und man mich in den
bisherigen Blog-Bildern nur sehr selten sieht, gibt’s jetzt auch mal ein
Selbstporträt. Nicht dass ihr noch vergesst wie ich ausseh. ;)
Zurück am Bahnhof warte ich eine halbe Stunde
bis der Schalter öffnet um ein Ticket für den „Toytrain“ zu bekommen. Selbiger ist
natürlich längst ausgebucht, ich spreche beim Bahnhofsvorsteher vor, zwei
Besuche und zwei Stunden später – zwischendrin besagtes Frühstück im Keventers,
verybritish – sitze ich im Zug und tucker durch die Wallachei.
Aaaalso…
Der „Toytrain“ ist so eine Art Öchsle Indiens,
eine alte Dampflok auf Schmalspur zwei Fuss oder so (das sind grad mal 60 cm…
Und darauf soll ne Eisenbahn balancieren). Diese Eisenbahn fuhr früher das, was
ich mit dem Jeep hier hoch gefahren bin (und früher mit Ochsenkarren vier Tage
gedauert hat) und macht dabei sogenannte „loops“ und „Z-reverses“, d.h. sie
fährt vor, zurück, vor, zurück und so den Berg rauf. Ok ok, Eisenbahn-Nerd-Talk.
Ich kenn mich ja auch nicht aus.
Die Fahrt ist ein sogenannter „Joy Ride“, der
Zug fährt bis zum nächsten Ort und zurück. Die ursprüngliche Strecke bis runter
nach Siliguri dauert eigentlich acht Stunden und wird nicht bedient, da es wohl
Erdrutsche unterwegs gab. Jedenfalls ist so ein „Joy Ride“lohnendmit Stops an
schönen Aussichtspunkten und so.
Ride with style, sehr kolonial. Wann wurde eigentlich die Londoner Subway in Betrieb genommen? |
Macht Dreck + macht Krach + bewegt sich + macht Spass. Maennerhobby. |
Malerische Ausblicke. Darjeeling von oben. |
Der Oberkontrolleur erinnert mich brutalst an meinen (mittlerweile verstorbenen) Saxophonlehrer. Vielleicht wurde er ja als Schaffner reinkarniert. |
Ich frag mich wie es hier ohne die Briten
heute aussehen würde…. Wahrscheinlich wie am Everest drüben. Alles zu Fuss mit
Sherpa. Verrücktes Volk. Die Briten mein ich. Die Inder auch, klar. Vielleicht
hat ja während der Kolonialzeit deshalb alles „so gut“ geklappt. Anyway.
Am nächsten Tag besuche ich das „Tenzing-Norgay“-Mountain
Museum, in dem Originalausrüstung und Zeitungsartikel der Erstbesteigung von
1953 ausgestellt (für Fans spannend) sind sowie den hiesigen Zoo, der unter
anderem Panther, Leoparden und bengalische Königstiger hält.
Schöne Tiere. Dass die hier nicht gerade
artgerecht gehalten werden ist klar, das geht ja auch gar nicht. Insofern sind
die Tiere hier sicherlich degeneriert… Aber eindrucksvoll sind sie allemal. Und
ich stelle fest, dass der Disney-Baghira mit seinem Blick der Realität schon verdammt
nahe kommt (siehe unten).
Halloooo Mietzekatze! Miau! Oh Gott, den wuerd ich SOFORT mit nach Hause nehmen. Neugierig isser, der Gute. |
Die Augen des Tigers erinnern mich irgendwie
an die eines Hais, weiß auch nicht wieso.Vielleicht weil er – anders als die
anderen Katzen hier – einem nicht in die Augen schaut. So nach dem Motto „ Du
bist eh keine Beute für mich“. Vielleicht aber auch, weil im Nachbargehege
gerade die Tigerdame flaniert und der Gute nur Augen für sie hat. Gut für mich
und einen Schnappschuss. Ein Hundeleben! So nah und doch auf ewig getrennt.
Szenenwechsel.
Ich befinde mich im „Happy Valley Tea Estate“
bei der Teeprobe, nachdem ich eine Einzelführung durch die Produktion geniessen
durfte (Bakschisch…). Bei der Verkostung treffe ich drei Norweger (Henriette,
Ian und Andy), wir verabreden uns spontan zum Dinner und schlemmen in einem der
hiesigen Upper-Class-Restaurants. Die drei sind Journalistikstudenten aus Oslo
und machen so ne Art Auslandsstudienarbeit. Zum Abschied schenkt mir Henriette
für die bevorstehenden Zugfahrten zum Abschied den „Gott der kleinen Dinge“ von
Arundhati Roy, ein indischer Bestseller, der mir die kommenden Tage sicherlich
angenehm gestalten wird. Ich bin gespannt. Auf Buch und Zug.
Abends mache ich bei mir auf der Veranda noch
eine Stunde Fitnesstraining mit meinem selbstgebauten Pocket-Sling-Trainer (der
besteht aus einer Wäscheleine akaReepschnur, drei Karabinern und zwei
Rohrstücken vom Schrott als Griffe). Als ich nach fünf Minuten aus der Dusche
komme, sind meine Handschuhe geklaut, die ich zum Trocknen in die Sonne gelegt
hab. Oh Mann!
Ich rege mich auf – darüber, dass hier
anscheinend alles geklaut wird was nicht niet- und nagelfest ist. Und darüber,
dass ich immer an das Beste im Menschen glauben will.
In einem Land wie diesem (ich wills nicht Land
der Diebe und Betrüger nennen, aber in den letzten Tagen habe ich echt haufenweise
Stories gehört hier versucht ja auch jeder x-beliebige Taxifahrer und
Gemüsehändler, Dich übern Tisch zu ziehen…) wohl definitiv fehl am Platz.
Ich nehme es als Lektion und mache mir
Merksprüche in mein Reisebuch, immer wachsam zu bleiben und – vor allem wenn
ich müde bin – hochkonzentriert zu sein, sobald mich ein Inder anquatscht.
Wenn das der Preis war, dass mir auf dem Rest
der Reise nicht Wertvolleres wie Pass, Geld, Kreditkarte, Laptop oder gar der
ganze Rucksack geklaut werden, dann kann ich diesen Streifschuss gut
akzeptieren. Es liegt an mir. Also: „Konzentrier Dich Björn“!
Ansonsten waren die Tage hier gewürzt mit sehr
interessanten Bekanntschaften. Über die Leute, denen man so „on theroad“
begegnet, gibt’s irgendwann ein Extra-Kapitel (Ich bastel grad wieder an nem
Gewinnspiel… ;-)).
So, und zu guter Letzt für heute kommt hier nun
das Tee-Educational… ;)
Es gibt schwarzen, grünen und (anscheinend)
auch weissen Tee. Nix Neues soweit.
Alles kommt aus derselben Pflanze, nur die
Behandlung unterscheidet sich. Gepflückt wird der Tee von Hand und die
Teeplantagen sind irre steile Hänge, dagegen sind die Stuttgarter Weinlagen ein
Spaziergang. Jede Pflückerin arbeitet sechs Tage die Woche und erhält ca. 1,40
Euro pro Tag.
Noch am selben Tag werden die gepflückten
Blätter in langen Trögen mit Ventilatoren luftgetrocknet, das geht über Nacht und
dauert 15 Stunden, bis die Blätter am nächsten Morgen noch 65% Feuchte haben
(wie die das messen, hab ich mich nicht getraut zu fragen. Wahrscheinlich wird
hier gar nix gemessen, sondern alles wie seit hundert Jahren gemacht:
Erfahrung…).
Danach werden die Blätter in uralten Maschinen
„gerollt“, also sonbissleangequetscht, damit der Saft und das Aroma aus dem
Blatt austreten. Aus der Rollmaschine geht’s auf nenFermentiertisch, d.h. die
Blätter werden einfach aufgeschichtet und ne halbe Stunde „ankompostiert“.
Anschließend geht’s in nenUralt-Durchlauftrockner (bis hier ist aller Tee noch
eine Masse) und anschließend auf fünf übereinanderliegende Rüttelsiebe, die die
Blätter automatisch nach Größe sortieren.
Verpacken, fertig. So einfach. Seit 1852.
Das Happy Valley Tea Estate |
Das sind diese "Rolltische". Wer sich das wohl damals ausgedacht hat. Eisenbahntechnik vom Feinsten. :) |
Eine Pflanze, zwoelf Tees. Simple Things made complicated. |
Und wenn Du Dich bei Deiner Oma nächstes Mal
als Tee-Kenner outen willst:
Generell wird unterschieden zwischen „First
Flush“, das ist die Frühlingsernte, ein heller Tee, und „Second Flush“, die
Sommerernte, eher bernsteinfarben in der Tasse. Man sagt der Unterschied sei so
groß wie bei Rotwein und Weißwein.
Dann wird natürlich unterschieden nach
Anbaugebiet. Darjeeling ist bekannt für feine Noten, weil er aus hohen Lagen
kommt. Tee aus Assam (der nächste indische Bundesstaat im Osten, liegt
niedriger) sei längst nicht so fein in Duft und Geschmack, eher kräftig (Also
wie Bordeaux und Rioja, wir erinnern uns ;-)).
Die Qualität wird nach Blattgröße unterschieden,
je größer die Blätter desto teurer. Ganze Blätter sind also am teuersten. Es
gibt also „leaves“, „brokenleaves“, „fannings“ und „dust“. D.h. nächstes Mal
in der Küche einen unauffälligen Blick in die Kanne werfen und Du weisst
Bescheid.
Und dann in die Tasse, um eine Groborientierung zu bekommen.
95% aller Tees, die man kaufen kann, sind
„geblendet“ (wie beim Whisky), d.h. Tees verschiedner Plantagen werden so
abgemischt, dass gewünschter Geruch, Farbe und Geschmack entstehen. Blends
erkenne man anscheinend daran, dass Geruch und Geschmack nicht vollständig
übereinstimmen.
Ich versuchs bei der Teeverkostung, aber das ist wie beim Wein,
da schmeck ich auch gern mal Schokolade, Tomaten oder Kohlrabi im Abgang.…
Die Tasse im Glenary`s danach identifiziere
ich könnermäßig als Second Flush, Fannings, blended.
Und so sieht er aus, der beste Tee der Welt.
Viel Spass beim nächsten Tee-Kauf!
Life is where the
comfort zone ends.
Stay tuned.
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